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Stadtrevue berichtet über LC36
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Stadtrevue berichtet über LC36

Das KölnMagazin Stadtrevue berichtet in der Titelstory der Februar-Ausgabe über gemeinschaftliche Wohnprojekte. Neben unseren Friends von der BG1006 in Dellbrück wurde auch die LC36 porträtiert. Mit freundlicher Genehmigung des Autors dokumentieren wir hier den Text und sagen: Stadtrevue lesen lohnt sich!

Instandbesetzung erwünscht

Die LC36 wird ein Erbbauprojekt. Für das einstmals besetzte Haus bringt dies viele Veränderungen mit sich

Stadtrevue, 02/2023
Text: Christian Werthschulte
Foto: Dörthe Boxberg

Es ist ein Glücksfall für Köln, dass die Stadtautobahn entlang des Grüngürtels und der Inneren Kanalstraße nie ­gebaut wurde. Ihm verdankt die LC36 am Westbahnhof seine Existenz. Seit 1915 steht dort, in der Ludolf-Camp­hausen-Straße 36, ein großes Mietshaus. In den 70er Jah­ren wurde es von der Stadt gekauft, um es für den Bau der Stadtautobahn abzureißen. 1984 stand das Haus fast komplett leer, nur drei migrantische Familien lebten noch dort. Dann wurde es besetzt.

„Die Stadt hat hier immer nur das Allernötigste investiert.“

»Die drei Familien leben immer noch hier, und dazu etwa 30 Personen in den unterschiedlichsten Wohnverhältnissen«, erzählt Timo Glatz, der seit 2008 in der LC36 wohnt. »Im Moment leben sogar zwei junge Menschen hier, die in der LC36 aufgewachsen sind.« Seit 1992 ist die Besetzung legalisiert, die Besetzer*innen haben einen ­Verein gegründet, der einen Mietvertrag mit dem Wohnungsamt der Stadt Köln abgeschlossen hat. Das Zusammenleben im Haus wird auf einem monatlichen Plenum besprochen. »Da geht es normalerweise um den Alltag: Müll bestellen, kleinere Reparaturen«, sagt Timo Glatz. Auch die Konflikte mit der Stadt Köln als Vermieterin ­waren immer wieder ein Thema dort. »Die Stadt hat hier immer nur das Allernötigste investiert«, sagt Christian Nehls, der seit 2013 in der LC36 wohnt, wo noch mit ­Kohle geheizt wird. Trotzdem ist die LC36 zu einer Ins­titution geworden. Viele Akti­vist*in­nen finden hier ­günstigen Wohnraum, das Café im Erdgeschoss dient als Anlaufpunkt für Initiativen.

Am 8. März 2017 hätte all dies an ein Ende kommen können. An diesem Tag waren die Bewohner*innen zu einem Termin im Wohnungsamt geladen. Einziger Tagesordnungspunkt: Die LC36 und die angrenzende Brachfläche sollten an eine Investorin verkauft werden, die dort Wohnungen für Studierende bauen wollte. Die Bewohner*innen der LC hätten nach dem Bau dort in eine Sozial­wohnung einziehen können, deren Mietpreisbindung nach 30 Jahren auslaufen würde. Damit wäre das Hausprojekt Geschichte gewesen. Die Bewohner*innen wandten sich an den Liegenschaftsausschuss, und erfuhren, dass der Verkauf der LC36 noch nicht beschlossen war. »Gemeinsam mit Jörg Frank, dem ehemaligen grünen Ratsherren, haben wir dann eine Ochsentour durch die Verwaltung gemacht«, sagt Christian Nehls. Ihr Ziel: Sie wollen die LC36 als Erbbauprojekt weiterführen. Die Stadt Köln bleibt formell Eigentümerin von Haus und Grundstück, aber überlässt beides einem neugegründeter Verein für einen Erbbauzins. Im Gegenzug muss der Verein das Gebäude verwalten und instandsetzen. Der Stadtgarten ist das bekannteste Beispiel für diese Art von Grundstücksvergabe, aber im Frühjahr 2017 war das Konzept schon lange nicht mehr angewendet worden. Es sollte noch drei Jahre dauern, bis der Rat der Verwaltung endlich grünes Licht gab: Die Stadt sollte mit den Bewohner*innen über das Erbbaurecht verhandeln.

„Wir sind beeindruckt, wieviel Solidarität wir erfahren.“

»Der Vertrag ist bis heute nicht unterzeichnet, aber in Grundzügen sind wir uns einig«, sagt Timo Glatz. Bis zum Jahr 2100 erhält die LC36 das Erbbaurecht, dafür zahlt das Projekt einen jährlichen Erbbauzins von 1,5 Prozent des Verkehrswerts. »Dazu kommt ein Sanierungsstau von ca. zwei Millionen Euro«, sagt Christian Nehls. Das bislang nur provisorisch ausgebaute Dachgeschoss wird renoviert und neu gedämmt, das gesamte Haus erhält neue Fenster und eine Zentralheizung, vermutlich auf Basis von Holzpellets. Finanziert wird dies zum größten Teil durch ein Darlehen der NRW-Bank, das über die zukünf­tigen Mieteinnahmen zurückgezahlt wird. Im Frühjahr 2023 werden jedoch Grundsteuer und Planungskosten fällig. Die LC36 hat dafür Direktkredite gesammelt, bis zum Redaktionsschluss Mitte Januar waren bereits 190.000 Euro zusammengekommen. »Wir sind beeindruckt, wieviel Solidarität wir erfahren«, sagt Timo Glatz. Die Höhe und Form der künftigen Mieten haben die Bewohner*innen selbst festgelegt — anstatt über den Müll diskutierte das Hausplenum, welche Mietzahlung gerecht sei, berichtet Glatz: »Wir haben uns verpflichtet, eine Miete unter oder gleich des Sozialsatzes anzubieten.« Aktuell sind dies ca. 6,50 Euro pro Quadratmeter — es dürfte fast unmöglich sein, zu diesem Preis aktuell eine Wohnung in der Kölner Innenstadt zu finden.

„Es braucht kollek­tive Projekte wie unseres, damit sich Menschen als Teil einer gemeinsamen Sache erfahren können.“

Der Weg dorthin war anstrengend. »Die Verhandlungen mit Wohnungs- und Liegenschaftsamt waren teilweise kafkaesk«, erinnert sich Christian Nehls. Mindestens fünf Stunden pro Woche habe er — wie viele andere — am Schreibtisch gesessen, hinzu kamen Plena und Termine mit Verwaltung und Architekturbüro. »Aber wenn wir fertig sind, haben wir sozialen Wohnraum in der Innenstadt bis ins Jahr 2100 gesichert«, sagt Nehls. »Es braucht kollek­tive Projekte wie unseres, damit sich Menschen als Teil einer gemeinsamen Sache erfahren können«, sagt Timo Glatz. 2024 soll die Sanierung der LC36 abgeschlossen sein — pünktlich zum 40-jährigen Bestehen des Wohnprojekts. Auf dem benachbarten Grundstück, wo längst ein Studierendenwohnheim gebaut werden sollte, wuchert weiter das Gras. 

Lest hier die komplette Titelstory im Volltext.


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